Angst weglachen I

(Die Teile 1-8 des Blogs bilden die Grundlage dieses Textes.)

 

2004, bei einer Reise durch Nepal, gerieten wir in der alten Königsstadt Bhaktapur auf einem zentralen Platz unversehens in ein Ritual, das für uns nicht hätte exotischer sein können. Bis heute weiß ich nicht, worum genau es ging. Wir sahen: Maskenmänner (einer stieß zu meinem größten Schrecken bald mit mir zusammen, deshalb weiß ich dass diese Masken sicher 15-20 Kilo wogen) tanzten. Aber alle Menschen konzentrierte sich vor allem auf einen Mann in der Mitte. Er drehte sich wild im Kreis, zunächst mit einer Ente oder Gans in den Händen – und biss ihr die Kehle durch. Dann wurde ihm eine Ziege gereicht – zu meinem Entsetzen ereignete sich das gleiche. Die Einheimischen waren gebannt vom Geschehen, es schien auch für sie etwas ganz Besonderes stattzufinden. Ich war nicht weniger gebannt, angezogen und abgestoßen gleichermaßen. Der Schreck dieses echten Tötens fuhr mir durch Herz, Hirn und Bauch.

Wir traten zurück. So sah ich parallel noch eine vollkommen andere Aufführung: Jungen, wie prächtige Märchenprinzen gekleidet, rasten über den Platz, fingen lachend und johlend Menschen, die sich dann mit kleinen Geldbeträgen auslösen mussten. Im Zentrum des Platzes herrschte blutiger Ernst, im Kreis drumherum der reinste Karneval. Beides war choreografierter Teil eines Ganzen.

 

Lachen ist das Privileg der Lebenden. Deshalb hat das Lachen im Umfeld des Todes seinen festen Platz. Beim Leichenschmaus ist es nicht Pietätlosigkeit, sondern Abwehr des Todes. Das mittelalterliche Osterlachen verscheuchte den Karfreitag. Nach dem Opfer eine Bockes wurden bei dem römischen Fruchtbarkeitsfest (Lupercalien) zwei Jünglinge an der Stirn mit dem blutigen Messer berührt, dann wurde das Blut mit in Milch getränkter Wolle abgewischt, dabei mussten die Jünglinge auflachen – Zeichen der Rückkehr des Lebens. Auch in Japan wird nach dem langen Winter die belebende Sonne mit Tanzen, Spielen und Lachen zurückgeholt.

Das sind nur wenige Beispiele, die den tiefen Sinn des Lachens andeuten.

 

Könnte das Lachen nicht auch aktuell eine kostengünstige und risikofreie Waffe gegen die Angst sein?

 

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