6. Führen aus Berufung

 

(Es wird empfohlen, Blog 1-8 in numerischer Reihenfolge zu lesen.)

 

 

In tradierten Ritualen ist das Zusammenspiel von Führen und Geführt-Werden enorm wichtig. Das verlangt auf beiden Seiten Kompetenzen, Einverständnis und Vertrauen. Sich-führen-Lassen bedeu­tet nicht, Verstand, Moral und Verantwortung an der Garderobe abzugeben! Es verlangt aber ein grund­sätzliches Vertrauen in Person und Ziel. Dem „Initiationsmeister“ oder Bergführer Vertrauen zu schenken, ist ein bewusster, selbstbestimmter Akt des Anerkennens seiner Kompetenz und meiner Lehrlingsrolle.

 

Umgekehrt verlangt das Führungsamt im Limen eine dienende Haltung. Sie ist mit Selbstverzicht, Aufopferung, Zurückstellen der eigenen Interessen verbunden. In sehr vielen praktizierten Ritualen spielen Masken eine Rolle. Mitunter sehen die Adepten nie, wer sie tatsächlich führt. Die Führen­den spielen nicht die Hauptrolle! Typische Führungseigenschaften sind: Selbstverzicht, Opferbereit­schaft, Zurückstellen der eigenen Interessen und die Bereit­schaft, alles Notwendige zum Überwin­den der Krise zu tun. Nur wenn diese in hinreichendem Maße vorhanden sind, werden die Adepten sich führen lassen, ver­trauen und konstruktiv mitwirken.

 

Nun ist es so, dass bei uns Führungspositionen fast immer mit selbstgewählten Berufen verbunden sind, selten jedoch mit einer Berufung. Politikersein ist heute ein Beruf, wie Bäcker, Krankenschwester oder Informatiker – verbunden mit Verdienst, Karriere, Altersvorsorge und vielen anderen persönlichen Interessen mehr.

 

Wie können wir also unter den Wissenschaftlern und vor allem unter den Politikern, die finden, die diese Aufgabe unbekannter Größe und Dauer tatsächlich schultern können?

 

Zu den Führungsaufg­aben gehört unter anderem die Fähigkeit und Bereitschaft im Interesse der Überwindung der Krise nicht vor Zumutungen, Ein­schnitten, Konfrontationen zurückzuschre­cken – dafür wird man selten geliebt und verehrt, wenigs­tens nicht im Augenblick.

 

Es werden wohl eher die sein, die das Führen aus Verantwor­tungsbewusstsein und seufzend übernehmen, als die, die mit Hurra in den Krieg ziehen. Es geht nicht darum, einen guten Job zu machen. Wir brauchen Führungskräfte mit Berufung.

 

Fortsetzung folgt...

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0